Webkonferenzsysteme sind gut – aber nicht für Livestreaming

Home Office kennen mittlerweile so viele Menschen wie noch nie zuvor. Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Nutzunskurve für Online-Meetings steil nach oben gegangen ist. Die bekanntesten Anbieter für Webkonferenzen sind zur Zeit wahrscheinlich Zoom, WebEx und Teams (ehem. Skype for Business) – es gibt auch noch viele weitere Anbieter. Was uns als Dienstleister für Livestreams in den letzten Wochen beschäftigt ist, dass Livestreams nun mit Webkonferenzen gleich gesetzt werden. Es wird immer schnell deutlich: Die Bildqualität und Möglichkeiten eines Livestreams sind gewünscht – aber als Bild in einer Webkonferenz. Wenn wir in solchen Fällen auf die Einschränkungen und Risiken für die Verwendung von Webkonferenzsystemen als Livestream-Plattform hinweisen (was von den Herstellern ohnehin nicht vorgesehen ist), ist die Überraschung groß. Deswegen jetzt: die Aufarbeitung der vier grrößten Schwächen von Video-Konferenzen hinsichtlich der Nutzung für Livestreaming.

Viele Anfragen von Kunden beinhalten eine Umsetzung mit mehreren Kameras und die Einbindung von weiteren Bild-Quellen, wie Powerpoint oder Einspielfilmen. Allerdings stellen sich viele Kunden vor, dass das ganze Online-Event über einen Webkonferenz-Dienst wie zB Zoom abgewickelt werden soll.

Natürlich gibt es für Einschränkungen auch immer einen Workaround. Es gibt semi-professionelle Geräte, mit deren Schnittstellen dieses Problem umgangen werden kann und es möglich macht, dass die Webconferencing-Systeme auch ein externes Sendesignal im Webkonferenz-System zulassen.

Die 4 größten Probleme bei Webkonferenz-Tools, die ein Livestream sein möchten

Am Beispiel von zwei großen Anbietern für Video-Meetings kann man vier Probleme zeigen, die bei Livestreamings nicht vorkommen. Diese Probleme betreffen die Audio- und Bild-Qualität, die Einbindung von Inhalten, Daten-Sicherheit, Auflösungsprobleme und eine "unglückliche" Bandbreiten-Regelung.

1) Audio-Qualität

Kein WebMeeting ohne Audio-Aussetzer. Ob Verzerrung, oder kompletter Abbruch – die Bandbreite der Störungen in der Sprachverständlichkeit bei Webkonferenzen ist groß. Mit steigenden Teilnehmerzahlen, steigt auch die Anfälligkeit für Audio Störungen. Die Audio-Qualität, im speziellen die gute Verständlichkeit von Sprache, ist für Zuschauer sehr wichtig. Studien haben gezeigt, dass Zuschauer eine kurzfristige Verschlechterung der Bild-Qualität akzeptieren – aber wenn die Sprache nicht oder nicht gut verständlich, gehen Aufmerksamkeit und Interesse (und damit der Zuschauer) verloren.

Die Sprachverständlichkeit hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab: zum einen verwendet jeder Teilnehmer irgendein anderes Gerät, um sein Audio in die Konferenz zu übermitteln. Das kann das Webcam-Mikrofon sein, ein externes Mikrofon oder ein Headset mit Mikrofon. Jeder Teilnehmer sendet sein Audio also grundsätzlich in ganz verschiedenen Qualitätsstufen.

Wovon hängt außerdem die Klangqualität ab?

Der zweite wesentliche Faktor, der die Sprachverständlichkeit beeinflusst ist, wie das Konferenz-System das Audio des Teilnehmers weiter verarbeitet. Für Livestreams nutzen wir hochqualitative Audioverarbeitung, die zwar datenreduziert ausgeliefert wird, jedoch auch dann noch CD-Qualität bietet, die man vom Fernsehen oder von Filmen gewohnt ist. Diese Audioqualität bietet einen gleichmäßig ausgesteuerten und „satten“ Klang. Die Audio-Verarbeitung von Webkonferenzen nutzt verschiedene softwarebasierte Systeme, die zum Beispiel Nebengeräusche unterdrücken sollen. Außerdem werden die Tonsignale sehr stark datenreduziert: Das System erzeugt „absichtlich“ Datenverluste, damit zwar die nötigsten, aber grundsätzlich so wenig Daten wie möglich übertragen werden müssen.
Das Ergebnis ist meist ein blecherner oder unnatürlich klingendem Ton, der zudem ausschließlich mono übertragen wird. Das ist akzeptabel für Meetings, wo es nicht auf ein perfektes Multimediaerlebnis ankommt , keine kommerziellen Absichten dahinter stehen oder tausende Zuschauer gleichzeitig einwandfreie Bild- und Ton-Qualität bekommen sollen.

2) Einbindung von Inhalten in Webkonferenzsysteme

Oft sollen neben dem Kamerabild auch weitere Inhalte gezeigt werden: Grafiken, Präsentationen und Videos bereichern Vorträge und sind mittlerweile Standard bei der Veranschaulichung von Vorträgen. Dabei gibt es zum einen technische Hürden (bei WebEx) und zum anderen sicherheitsrelevante Probleme (bei Zoom).

Technische und sicherheitsrelevante Probleme

WebEx erwähnt in einem Artikel auf der WebEx-Hilfeseite zu Video-Problemen, dass das System einen einheitlichen (also auf Teilnehmer- und auf Anbieter-Seite auf dem gleichen Stand befindlichen) Videocodec verlangt. Nutzt der Teilnehmer ältere Videosysteme, dann ist die Inhaltsfreigabe nicht möglich. Das heißt, dass das Zeigen von Präsentationen und Videos nicht funktioniert. Wie soll das im Vorfeld festgestellt werden? Die Konsequenz ist dann, dass jeder Teilnehmer, der Inhalte zeigen möchte, im Vorfeld sein System testen sollte. Nachfragen deuten an, dass das gleiche wahrscheinlich für Zoom gilt.

Schwachstelle: Videosysteme ohne Verschlüsselung

Video-Konferenzssysteme, besonders Zoom, sind hinsichtlich Problemen beim Datenschutz in die Kritik geraten.
Datenschutzprobleme können verschiedene Ursprünge haben: Bei Zoom geht das Problem von der Anwendung aus. Bei WebEx geht das Problem vom Anwender aus.

Sicherheitsprobleme bei WebEx

Die Systeme werden mit externen Quellen (das sind die Rechner der Teilnehmenden) verbunden – externe Quellen sind in diesem Fall die Rechner der Teilnehmenden und genau diese können zB bei WebEx ein Sicherheitsrisiko sein – der Hilfeartikel bei WebEx stellt klar:

„Wenn Teilnehmer einem Meeting unter Verwendung von Videosystemen beitreten, die keine verschlüsselten Signalisierungslinks festlegen oder verschlüsselte Medienlinks verwenden, kann das Meeting nicht als vollständig sicher gesehen werden, da es Geräte gibt, deren Verbindungen nicht gesichert werden können“

Sicherheitsprobleme bei Zoom

Die wenigsten Anwender lesen das Kleingedruckte. Bei allen Anwendungen, über die wie bei einem Anbieter für Webkonferenzen durchaus wichtige Informationen fließen, lohnt es sich aber doch, sich die Zeit für die AGB zu nehmen. Obwohl es in den Datenschutzbestimmungen des Anbieters genannt wird, wissen es wahrscheinlich die wenigsten Nutzer von Zoom: Zoom sammelt im Hintergrund Videos, Transkripte und geteilte Notizen der Videochats und nutzt sie für Werbezwecke. Das kann jeder nachlesen und dem stimmt jeder Nutzer wissentlich oder unwissentlich zu.

Mac-User müssen bei der Installation von Zoom noch eine weitere bittere Pille schlucken

Damit Zoom ordnungsgemäß läuft, greift das Programm auf Mikrofon und Kamera des Macs zu. Sicherheitsforschern gelang es aber, diese Zugriffsrechte auch für Schadsoftware zu bekommen. Hier erfolgten, wie bei der Installation auch, keine weiteren Nachfragen seitens macOS, ob die Schadsoftware denn auch die Berechtigung erhalten soll, Kamera und Mikrofon benutzen zu dürfen. Das heißt: Theoretisch können Kamera und Mikrofon eines Teilnehmers von Dritten aktiviert werden, ohne dass der Teilnehmer das bemerkt.

Geringe Auflösung für Videoinhalte auf Zoom

Die im Idealfall größtmögliche Auflösung für das Bild der Videokonferenz ist bei den meisten Webkonferenz-Anbietern mit 720p angegeben. Diese Auflösung wird nochmal verringert, wenn es um das Abspielen von Video-Inhalten geht. Dann ist die Auflösung lediglich 640x480. Im Vergleich dazu: Bei Livestreams bekommen Sie 1920x1080 oder mehr.

3) Auflösung

Um bei Zoom WebEx & Co. Informationen zur Auflösung zu finden, muss man intensiv suchen. Grundsätzlich sind weiterführende technische Informationen bei WebEx viel leichter zu finden als bei Zoom. Grundsätzlich hält sich die Plattform Zoom bei technischen Informationen sehr bedeckt.

HD ist nicht gleich HD

Bei Zoom wird immer von „Video in HD-Qualität“ gesprochen. Faktisch ist das korrekt: es handelt sich im besten Fall um 1280x720p – diese Auflösung nennt sich die kleine HD-Auflösung; sie wird für HDTV bei ARD und ZDF verwendet.
Bei WebEx gibt es zwei Auflösungen: 360p und 720p. Also die kleine HD-Auflösung und die nochmal um die Hälfte kleinere Auflösung, die grundsätzlich Standard-Einstellung ist.

Warum ist die Auflösung ein Problem?

Die Plattformen mit der kleinen HD-Auflösung bieten eine eher durchschnittliche Video-Qualität im Vergleich zu Livestreams: Bei Livestreams wird in der Regel in der Auflösung 1920x1080 ausgeliefert – das ist die große HD Auflösung (unsere Player arbeiten mit automatischer Anpassung an die verfügbare Bandbreite beim Zuschauer und liefern immer die bestmögliche Qualität aus). Wenn bei einem hochqualitativen Livestream in 1920x1080 die Bandbreite beim Zuschauer kleiner sein sollte, gibt es mehrere Abstufungen, die dann trotzdem immer noch gute Bildqualität liefern.

Bieten Sie eine Video-Qualität unter dieser Standard-Auflösung an, bieten Sie eine Bildqualität, die über 96% der Online-Nutzer nicht verwenden.

Statistiken zeigen, dass allein in Deutschland nur in den letzten 12 Monaten fast 30% aller Desktop-Zuschauer Ihre Inhalte auf 1920x1080 sehen. Die Nutzung der Auflösung, die von Konferenzsysteme bieten, liegt bei 3,9%. Dazu kommt, dass bei Livestreams auch oft Powerpoint Präsentationen mit eingebunden werden. Diese sind quasi nicht mehr lesbar, wenn die Auflösung unter 1280x720 fällt. In einem Livestream mit einer Auflösung von 1920x1080 sehen Sie die Präsentation quasi so, als würde sie auf dem eigenen Rechner laufen – also ohne Qualitätseinbußen.

Beim Bild gilt bei Konferenzsysteme das gleiche wie für den Ton: Hier gilt es auf schnellstem Wege ein für Meetings „brauchbares“ Bild an alle Teilnehmer zu übertragen. In einem Meeting ist es deshalb völlig akzeptabel, wenn es „Bildhänger“, pixelige Darstellung („Klötzchenbildung“) und andere Bildfehler gibt. In einem Livestream gibt es diese Probleme nicht (darf es nicht geben), da hier höherwertige Datenreduktionssysteme zum Einsatz kommen, die nicht auf die schnellstmögliche Auslieferung mit einer geringen Datenrate ausgerichtet sein müssen.

Warum schlechte Qualität sehen, wenn sehr gute verfügbar ist?

Die Webkonferenz-Systeme starten bereits auf einem niedrigen Niveau in der Bildqualität. Wird diese Qualität dann auch noch runter reguliert, sind Standbilder, große Artefakte im Bild, eine mosaik-hafte Darstellung des Bildes, Audio-Verzerrungen und Aussetzer der Standard. Und das betrifft dann nicht nur einen einzelnen Zuschauer, wie Problem Nr. 4 zeigt.

4) Bandbreiten-Schwankungen

Eigene Versuche lassen stark vermuten, dass alle Webconferenz-Systeme hinsichtlich der Bandbreite nach dem gleichen Schema arbeiten. Bei WebEx ist man offen und benennt das Problem:

„Ein Webex Meeting [...] beginnt immer mit der besten Videoauflösung zwischen Videosystemen und der Webex-Anwendung. Wenn High-Definition-Video verfügbar ist, steht es allen Teilnehmern zur Verfügung. Wenn die Netzwerkverbindung eines Webex-Teilnehmers schlecht ist, wird die Auflösung zwischen Videosystemen und der Webex-Anwendung herabgesetzt, um diesem Teilnehmer entgegenzukommen. Folglich wird die Videoauflösung auch für alle anderen Teilnehmer schlechter.“

Das bedeutet: Die (Video+Audio)Qualität des Meetings orientiert sich immer an dem Zuschauer, der die schlechteste Hardware bzw. Bandbreite besitzt. Die Qualität für alle Zuschauer wird also heruntergeregelt, damit der Zuschauer mit den schlechtesten Empfangsbedingungen das Meeting noch sehen kann.
Bei einem Livestream wird jeder Zuschauer einzeln bewertet und unabhängig von allen anderen Zuschauern mit der besten Qualität beliefert, die seine Hardware und seine Internetverbindung sicher darstellen können. Dies geschieht völlig automatisch.

Diese Qualtitätsreduktion in Konferenzsystemen ist ein völlig unkalkulierbares Risiko einer spontanen und ggf permanent schlechten Darstellung der Audio- und Video-Qualität – und diese Darstellung gilt dann für jeden Zuschauer. Als reine Anwendung für Meetings kann man das wahrscheinlich akzeptieren. Aber als Alternative zu einer Livestream-Produktion können diese Systeme aus unserer Sicht nicht eingesetzt werden. Besonders bei Kongressen, Pressekonferenzen, Fortbildungen – bezahlt oder frei verfügbar - würden sich die Zuschauer zurecht beschweren. Das Online-Erlebnis würde für Verärgerung sorgen, wenn die Inhalte nicht durchgängig angenehm sichtbar und verständlich wären.

Fazit Webkonferenzsysteme vs. Livestreaming

Webkonferenz-Systeme funktionieren prima – für Meetings. Sie sind kein Ersatz, wenn es um sehr gute Bildqualität, stabile Bild- und Tonqualität und kontrollierte Bedingungen hinsichtlich einem Endergebnis mit hoher Qualität geht.

Auch bei einer Livestream Produktion ist gewährleistet, dass die Zuschauer interaktiv teilnehmen können. Wir bieten hier verschiedene Tools für Abstimmungs- und Fragen-Prozesse, Einbindung von Remote-Teilnehmern, KEINE Einschränkung in der Anzahl der Zuschauer im Gegensatz zu Konferenzsystemen, deren Zuschauerzahl im besten Fall auf wenige hundert Teilnehmer limitiert ist.

Quellen – alle aus 2020:
https://help.webex.com/de-de/lsdeaf/Known-Issues-and-Limitations-for-Cisco-Webex-Meetings
https://help.webex.com/de-de/gw8u4j/Known-Issues-and-Limitations-for-Webex-Video
https://support.zoom.us/hc/de https://www.fahr.com https://gs.statcounter.com
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Sicherheit-Videokonferenz-Datenschutz-Zoom-25540527.html
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Internet-Kommunikation-besten-Video-Chat-Programme-25449739.html
https://blog.clickmeeting.com/de/sichere-videokonferenzlosung
https://www.kaspersky.de/blog/videoconference-software-security/23861/
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/datenschutz-behoerden-dsgvo-zoom-videokonferenz-unsicherheit/